Gesamter Geschäftsbericht 2015:
Auszüge des Geschäftsberichts 2015:
Die Aktie/Investor Relations/Aktiendaten
Download als PDF
Retina an/aus
Interview mit dem Vorstand
Joachim Sorg: Natürlich sind wir mit den Umsatzzahlen alles andere als zufrieden. Das hätten wir uns sicher
anders gewünscht. Verantwortlich dafür waren zwei große Projektverschiebungen in den Bereichen Automotive und Semiconductor. Auf die Verzögerung im Automobilbereich hatten wir keinen Einfluss. Die bekannte Abgasproblematik führte bei unserem Kunden zu einem zwischenzeitlichen Ressourcenmangel, weil Personal an anderer Stelle gebunden war. Die NanoFocus AG ist von dieser Thematik inhaltlich in keiner Weise betroffen und mittlerweile laufen alle Projekte wieder. Der angestrebte Umsatz im Automobilbereich konnte jedoch nicht mehr in 2015 realisiert werden. Der zweite Grund war die verzögerte Abnahme einer neuen Pilotanlage für die Halbleiterindustrie. Dies führte dazu, dass Folgeanlagen erst in 2016 ausgeliefert werden können. Solche Umsatzverschiebungen können im Projektgeschäft passieren, wenn es um grundsätzlich neue Standards geht und um Produktionsanlagen mit höherer Stückzahl.
Joachim Sorg: Auf jeden Fall. Strategie und Unternehmensentwicklung wurden durch diese Verzögerungen in keiner Weise infrage gestellt. Wir sind auf einem guten Kurs. In 2013 hatten wir eine ähnliche Situation und in 2014 verzeichneten wir dann Rekordumsätze. Strategisch sind wir in den letzten Monaten große Schritte vorangekommen und haben technisch alle Ziele erreicht. Zum Beispiel mit dem ersten vollautomatischen fertigungsnahen Zylinderinspektionssystem. Auch im Bereich Semiconductor sind wir mit erwähnter Pilotanlage bereits in die fertigungsnahe Messung eingestiegen. Dazu kommen die hervorragenden Zahlen im Standardbereich und natürlich die strategisch wichtige Akquirierung der Breitmeier Messtechnik GmbH. Das alles sind positive Highlights. Die NanoFocus AG ist auf dem Weg vom Laborgerätehersteller zum spezialisierten Ausrüster für industrielle Fertigungsmesstechnik. Ein deutliches Erfolgssignal ist der Auftragseingang: Er war zum Jahresende der höchste der Firmengeschichte.
Marcus Grigat: Ich sehe 2015 als ein Übergangsjahr. Wir haben es genutzt, um die Weichen zu stellen hin zum fertigungsnahen Messen, d. h. zu der Integration unserer leistungsfähigen Messsysteme in die Produktion. Das ist insbesondere in der Zusammenarbeit mit unseren Projektkunden von großer Bedeutung. Hier gehen wir zunehmend heraus aus den Messräumen in den fertigungsnahen Bereich an die Linie. In dieser Richtung haben wir im letzten Jahr viel mit unseren Kunden gearbeitet, Workshops durchgeführt, Messgrößen und Kennwerte definiert und zukunftsweisende Pilotprojekte realisiert. Dabei hatten wir in vielen Fällen Einblick in die technischen Roadmaps der nächsten Jahre und konnten unsere Produktplanung entsprechend darauf abstimmen.
Jürgen Valentin: BMT verfügt über großes Know-how und Erfahrung bei der Integration von leistungsfähigen Messanlagen direkt in die Produktion. Hier geht es wirklich um industrienahen Anlagenbau in Sachen Oberflächenmessung und Produktionskontrolle. Außerdem erweitert BMT unser technologisches Portfolio um hochwertige taktile Anlagen und um Weißlicht-Interferometrie. Für ihre hochpräzisen und robusten Systeme fehlte BMT bisher ein breiter Marktzugang. Die Bereitstellung taktiler Kennwerte bildet die Basis für das zeichnungskonforme fertigungsnahe Messen in der Automobilindustrie, und zwar über die gesamte Prüfkette der Zulieferer. Von unseren Kunden in der Produktion wird dies als sinnvolle Ergänzung zu unseren optischen Verfahren geschätzt.
Joachim Sorg: Unser Ziel war und ist die Produktionsüberwachung von morgen. Hier können wir den Kunden im Bereich der High-End-Messtechnik nun alle relevanten Technologien anbieten: unsere technologisch führenden 3D-Konfokalsysteme, Laborgeräte, taktile Produktionsmessmittel und komplementäre optische Verfahren. Hinzu kommt, dass wir durch Breitmeier einen interessanten Marktzugang in die Produktion von Nutzfahrzeugen bekommen. In diesem Bereich hat BMT langjährige Kundenkontakte.
Marcus Grigat: Erste gemeinsame Projekte im Bereich Automotive konnten schon zum Jahresanfang 2016 umgesetzt werden. Hier wurde insbesondere der Marktzugang von NanoFocus gewinnbringend genutzt.
Joachim Sorg: Im Zuge der gestiegenen operativen Bedeutung der Tochtergesellschaften werden wir zukünftig eine Konzernrechnungslegung vorlegen, die unsere vier Tochtergesellschaften umfasst: die NanoFocus Inc. in den USA, NanoFocus Pte. Ltd. in Asien, die NanoFocus Materialtechnik und nun natürlich auch BMT. Das bedeutet einen Zuwachs an Transparenz für unsere Investoren, denn im Einzelabschluss der AG tauchen diese Gesellschaften ja bisher nicht auf.
Joachim Sorg: Alle vier Tochtergesellschaften sind durchweg profitabel. Für 2015 hätten die Töchter zusätzlich einen Umsatz von 3 Mio. EUR generiert und einen Beitrag von 0,7 Mio. EUR zum Konzernergebnis beigesteuert. Dabei muss man berücksichtigen, dass Breitmeier Messtechnik erst seit November 2015 Teil der NanoFocus-Bilanz ist.
Die volle operative Integration erwarten wir im Laufe des Geschäftsjahres. Wobei wir BMT und seine Marktaktivitäten in vielen Gebieten als grundsätzlich unabhängig betrachten. Die Betreuung der Stammkunden vor allem im Bereich Nutzfahrzeuge bleibt zum Beispiel unverändert. Insgesamt werden unsere Tochterfirmen mit Sicherheit relevanter werden. Im laufenden Jahr 2016 rechnen wir mit einem deutlich steigenden Umsatz- und Ergebnisbeitrag. Die NanoFocus AG bietet mit den internen ERP- und Börsenstrukturen sowie mit den etablierten ISO- und QS-Prozessen ideale Voraussetzungen für einen entsprechenden Zuwachs.
Jürgen Valentin: Ich finde es wichtig, an dieser Stelle einmal explizit unsere Entwicklung in den USA zu erwähnen. Hier verzeichnen wir einen Aufwärtstrend, der sich nicht nur in den Zahlen ausdrückt. Die USA gewinnen immer größere Bedeutung, vor allem für die Marktsondierung sowie für relevante Industriekontakte. Wir sind für größere amerikanische Konzerne beratend tätig und führen wichtige Gespräche mit Key Accounts. Neue Technologien und Trends werden oft als Erstes an Hightech-Standorten wie Silicon Valley sichtbar. Das betrifft alle unsere Business Units und viele technologische Aspekte, von neuen Antriebstechniken über Medizintechnikausstattung bis hin zu intelligenten Sensoren für zukünftige Mobilitätslösungen.
Marcus Grigat: Mit dem neukonzipierten Zylinderinspektionssystem stehen wir mit diesem leistungsfähigen System erstmals direkt in der Produktion und nicht mehr im Feinprüfraum. Die Messergebnisse des Systems sind fertigungsrelevant und die Produktionswerkzeuge können bei Bedarf schnell nachjustiert werden. Damit erfüllen wir eine wichtige Anforderung der Industrie. Bei der Halbleiterherstellung sehen wir für uns ebenfalls große Zukunftschancen. In dieser Branche laufen die Innovationsprozesse ja wesentlich schneller. Zwei wichtige Trends in der Halbleitertechnik stehen dabei für uns im Fokus: zum einen das 3D-Packaging, also das platzsparende Stapeln einzelner Chips in einem einzigen Gehäuse, und zum anderen die weitere Miniaturisierung der Aufbau- und Verbindungstechnik. Hier haben unsere hochauflösenden und schnellen Systeme optimale Eigenschaften für die Qualitätsüberwachung.
Für unsere Business Unit Semiconductor haben wir einiges erreicht, zum Beispiel die Umsetzung der neuen Pilotanlage für einen internationalen Konzern im Bereich Power Semiconductor Devices. Unsere konfokale 3D-Messtechnik ist hier weltweit die schnellste und bietet ideale Möglichkeiten für die Qualitätskontrolle. Die Pilotanlage war also ein wichtiger Schritt für uns.
Marcus Grigat: Das Ziel einer aktuellen Zusammenarbeit mit unserem derzeit größten Halbleiterkunden ist die Entwicklung des weltweit schnellsten Hochleistungs-Sensorsystems für die 3D-Qualitätskontrolle in der Halbleiterfertigung. Schon mit unseren aktuellen µsprint-Geräten liegen wir in Sachen Messgeschwindigkeit und Qualität an der Spitze. Entscheidend für die Weiterentwicklung des Systems ist eine Integration direkt in den Produktionsprozess für eine fehlerfreie 100-%-Kontrolle. Das Entwicklungsprojekt steht 2016 vor dem erfolgreichen Abschluss und wir sind mit den technologischen Ergebnissen sehr zufrieden. Man darf auf die zweite Jahreshälfte gespannt sein.
Joachim Sorg: Die Neustrukturierung des Vertriebs bei Standard/Labor wurde abgeschlossen und die Verkaufszahlen haben sich positiv entwickelt. Unsere strategischen Maßnahmen waren voll wirksam, die Aufbauarbeit der letzten Jahre wurde belohnt. Hier knüpfen wir wieder an alte Erfolge an und lagen mit einem Umsatzanteil von 59% sogar über Plan.
Marcus Grigat: In diesem Zusammenhang müssen wir auch unsere Serviceleistungen nennen. Service und Standard/Labor gehen Hand in Hand, der Vertriebs- und Servicegedanke ist bei uns stark verknüpft und die Arbeit am Kunden wird hier ernst genommen. Die guten Zahlen sind ein Erfolg des gesamten Teams. Es leistet sehr gute Arbeit.
Jürgen Valentin: Standard/Labor hat grundlegende Bedeutung für uns. Zum einen werden unsere Marke und unser Know-how auch in der Breite auf dem Markt präsentiert. Zum anderen, und das ist ein wichtiger Aspekt, sind die Entwicklung und der Vertrieb unserer Laborgeräte eine Innovationsquelle für neue Anwendungen, quasi eine technologische Keimzelle. Anforderungen und Einsatzbereiche unserer Kunden geben wichtige Hinweise auf zukünftige Entwicklungen. Alles, was Bedeutung in der Produktion bekommt, fängt ja in den Entwicklungsabteilungen an. Hier können wir mit den Kunden lernen und uns weiterentwickeln.
Marcus Grigat: Auch eine ganze Reihe von Zulieferern im Automobilbereich kann unsere flexiblen Standardgeräte gut einsetzen. Insbesondere in der Elektromobilität und bei der Brennstoffzelle. Hier ist ja noch vieles im Entwicklungsstadium und unsere Kunden arbeiten an neuen Technologien. Dafür brauchen die Hersteller unsere Standardgeräte in den Laboren. Und wir bleiben mit den Herstellern im Gespräch und sehen, wo die Messanforderungen zukünftiger Technologiestandards liegen.
Jürgen Valentin: Hier gibt es zwei Stichworte: Vernetzung und intelligente, lernfähige Sensorik. Vernetzung bedeutet, dass die Maschinen in der Fabrik insgesamt besser miteinander kommunizieren müssen. Und dies möglichst so, dass ein Eingriff schnell erfolgen kann, ohne die Produktion zu stören und unnötige Kosten zu verursachen. Das hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Mess- und Prüftechnik. Sie muss in diesen Kommunikationsprozess eingebunden sein, und zwar direkt in der Produktion. In der klassischen Fertigungsumgebung gibt es die Werkhalle und daneben, räumlich getrennt, den klimatisierten Feinmessraum. Man macht Stichprobenmessungen mit anschließender Rückmeldung in die Produktion. Der Trend geht jedoch dahin, immer mehr Prüftechnik direkt in die Produktion zu holen. Das muss nicht immer inline sein, aber möglichst nahe an den Fertigungsmaschinen, also „at“-line.
Jürgen Valentin: Ganz genau. Der Trend, und das bestätigt uns auch der Erfolg von BMT, geht dahin, dass immer mehr Prüftechnik in die Produktion wandert. Deshalb müssen wir uns zukünftig darauf konzentrieren, fertigungsnahe und integrierte Lösungen anzubieten. Das können Inline-Systeme sein, aber auch Geräte, die eine besondere räumliche Nähe zur Produktion haben. Der zweite Trend, die »intelligente Sensorik«, oft »smart sensors« genannt, ist mit dem, was ich eben ausgeführt habe, eng verbunden. Es geht um moderne Messköpfe, die man robuster und schneller in die Produktion einbauen kann. Diese Messköpfe müssen sozusagen lernfähig auf verschiedene Anforderungen eingehen können und sie müssen für die Anwender leicht zu handhaben sein. Der Kunde muss diese Messtechnik schnell und ohne Spezialistenwissen an geänderte Vorgaben anpassen können. Zurzeit initiieren wir ein entsprechendes IT-Projekt, bei dem es um die Integration solcher Sensoren geht.
Marcus Grigat: Ja, wir sind sehr zufrieden mit der Abwicklung des gesamten Prozesses, von unserer Konzeption des Gebäudes bis zum Abschluss der Bauphase und der Durchführung des Umzugs. Die neuen Räumlichkeiten bieten beste Voraussetzungen für unsere zukünftige Unternehmensentwicklung. Unsere Produktionslogistik sowie unsere Kommunikation haben sich durch die Möglichkeiten des neuen, modernen Gebäudes erheblich verbessert. Wir haben eine zusammenhängende Lagerfläche, alles ist vor Ort und optimal mit der Produktion verknüpft. Repräsentative Showrooms ermöglichen eine wesentlich bessere Betreuung unserer Kunden im Haus. Auch die interne Kommunikation und das tägliche Miteinander verändern sich. Die einzelnen Abteilungen können sich besser abstimmen, es gibt mehr Raum, sowohl für Konzentration als auch für Interaktion. Wir sind jetzt in der Lage, komplexere Produkte mit kürzeren Wegen und einer besseren Logistik zu fertigen. Produktion, Kommunikation, Kundenbetreuung und Motivation – wir profitieren auf allen Ebenen von dem Firmenumzug.
Joachim Sorg: Unser besonderer Dank gilt der Wirtschaftsförderung Oberhausen, die hier eine konstruktive Vermittlerrolle zu allen Verantwortlichen in Politik, Bau und Finanzierung übernommen hat. Das war ein gutes Beispiel für eine umsichtige und gelungene Infrastrukturförderung. Mit Plassmeier Bau haben wir einen erfahrenen und renommierten Bauträger gefunden und mit der Babcock Pensionskasse einen finanzstarken, verlässlichen Eigentümer. Wir freuen uns, als Hightech-Unternehmen ein Teil des Industriestandorts Oberhausen zu sein. Schon seit vielen Jahren fühlen wir uns hier sehr gut aufgehoben.